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Die Atypische Netznutzung – Wie profitieren Sie davon?

Die Atypische Netznutzung ist ein Instrument der Bundesnetzagentur, das der Industrie als Endverbraucher erhebliche Kosteneinsparungen beim Leistungsbezug ermöglicht. Zur Beantragung dieser muss der Endverbraucher bestimmte Vorgaben einhalten, die bereits durch wenige Eingriffe mit Hilfe einer Lastspitzenoptimierung erfüllt werden können. Dies schafft eine Win-Win-Situation für Gewerbe und Industrie, sowie für die Netzbetreiber, die ihre Netze effizienter auslasten können.

Hintergrundwissen:
Verbrauch und Erzeugung von Energie

Der Energieverbrauch in Deutschland variiert im Tagesverlauf erheblich. Es gibt Spitzenzeiten, in denen der Energieverbrauch deutlich höher ist, zum Beispiel am Vormittag oder späten Nachmittag, verglichen mit den ruhigeren Zeiten in der Nacht oder am Mittag. Diese Spitzenzeiten werden als Hochlastzeiten bezeichnet. Das folgende Diagramm illustriert den durchschnittlichen Leistungsverlauf aller industriellen Lastprofile in Deutschland. Besonders zwischen 9 und 12 Uhr sowie zwischen 16 und 18 Uhr ist die hohe Last auf den Netzen klar erkennbar. Allerdings hat jeder Netzbetreiber seine eigenen Hochlastzeiten, die von diesem allgemeinen Muster abweichen können.

Unser Energiebezug wird
15-Minuten-genau gemessen.
D.h. für jede 15 Minuten wird ein
Wert bestimmt, der als Bezug in
der Messtechnik erfasst wird.
Alle 15-Minuten-Werte werden am
Ende eines Monats aufsummiert
zu einem Wirkarbeits-Verbrauch,
der abgerechnet wird. Beim
Leistungspreis wird nur der
höchste dieser 15-Minuten-Werte
als Leistungsspitze betrachtet.

In den Hochlastzeiten müssen die Energieversorger große Energiekapazitäten bereitstellen. Dies geschieht durch das Zu- und Abschalten von eigens dafür installierten Erzeugeranlagen, die nur zu Hochlastzeiten genutzt werden. Ansonsten stehen diese den größten Teil der Zeit in Standby als zuschaltbare Kapazität bereit. Ebenfalls muss die erforderliche Leistung jederzeit übertragen werden können, sodass der notwendige Netzausbau den Netzbetreiber vor eine große Herausforderung
stellen würde. Aufgrund der hierfür anfallenden hohen Kosten stellt sich die Frage:

Wie schaffen es die Energieversorger und Netzbetreiber, die Industrie dazu zu bewegen, ihren Verbrauch zu bestimmten Hochlastzeiten zu verringern?

Der Nutzen der Atypischen Netznutzung

Die Antwort vorweg: Man schafft einen finanziellen Anreiz. So auch bei der Atypischen Netznutzung. Denn eine Stromrechnung enthält u.a. die Abrechnung nach Arbeitspreis, Umlagen, Abgaben und dem Leistungsentgelt (auch: Leistungspreis). Dieser Leistungspreis ist in der Regel auf den höchsten 15-Minuten- Wert eines Jahres zu zahlen. Bei der Atypischen Netznutzung wird dieser Leistungspreis nicht auf den höchsten Wert des Jahres, sondern auf den höchsten Wert innerhalb des Hochlastfensters berechnet. Durch eine gezielte Steuerung des eigenen Abnahmeverhaltens in diesen Zeiträumen können daher hohe Einsparungen erzielt werden.

Was gibt es zu beachten?

Der höchste Wert muss folglich bei der Atypischen Netznutzung außerhalb der festgesetzten Hochlastzeiten, sprich atypisch liegen. Diese Hochlast-Zeiten werden daher als Hochlastzeitfenster definiert und je nach Jahreszeit und Entnahme-Netzebene unterschieden. In folgendem Beispiel der Stadtwerke Schwabach für 2024 sind in der Niederspannung die Hochlastzeitfenster im Winter zwischen 16:45 und 18:30 Uhr und im Herbst zwischen 17:15 und 18:15 Uhr. Nur in diesen wenigen Stunden im Jahr muss ein Unternehmen dieses Netzgebiets seine Leistungsaufnah- me aus dem Netz reduzieren, um die Atypische Netznutzung beantragen zu können.

Abbildung 2: Hochlastzeitfenster nach Netzebene und Jahreszeit - 2024 im Netzgebiet der Stadtwerke Schwabach

Neben den Hochlastzeitfenstern, die sich Jahr für Jahr verändern, müssen ebenfalls bestimmte Schwellen erreicht werden. Diese sind in einer Erheblichkeitsschwelle, einer Mindestverlagerung und einer Bagatellgrenze definiert und abhängig von der Netzebene des Kunden. D.h. beispielsweise in der Niederspannung müssen die Industriekunden ihre Leistungsspitze in den Hochlastzeitfenstern um mindestens 30% (Erheblichkeitsschwelle) sowie um 100 kW (Mindestverla- gerung) reduzieren und dabei eine Einsparung von 500€ (Bagatellgrenze) erreichen. Diese Werte beziehen sich jeweils auf den Unterschied zwischen dem 15-Minuten-Wert der Gesamt- Jahres-Leistungsspitze und dem 15-Minuten-Wert der Leistungsspitze in den Hochlastzeitfenstern eines Kalenderjahres.

Abbildung 3: Anforderungen für die Erfüllung der Atypischen Netznutzung nach Netzebenen - Vorgabe der Bundesnetzagentur

Kurzgefasst: Der Leistungsspitzenwert im Hochlastzeitfenster muss um diese Schwellen geringer sein als in den Zeiten außerhalb des Hochlastzeitfensters. Sofern die Anforderungen erfüllt werden, wird nur der geringere Spitzenwert des Hochlastzeitfensters zur Berechnung des Leistungspreises hergenommen. Es ist daher ratsam, die Atypische Netznutzung zu beantragen, sofern es realistisch ist, dass diese Schwellen erfüllt werden können. Werden diese nicht automatisch erfüllt, so kann mithilfe einer Energieoptimierung in den Betrieb eingegriffen und die Atypische Netznutzung beantragt werden. Da die Hochlastzeitfenster für 12 Monate exakt festgelegt sind, ist es umso einfacher, nur in einem kleinen Zeitfenster pro Tag die Leistungsspitze zu reduzieren und (hohe) Einsparungen zu erzielen.

Umsetzung durch Eingreifen der Energieoptimierung

Bei KBR wird die Atypische Netznutzung durch das Eingreifen des intelligenten Energieoptimierungs-systems multimax gelöst. Hierfür wurde zuerst der Lastverlauf des Vorjahres be- trachtet, bei dem die Schwellen nicht erfüllt waren und somit kein individu- elles Netzentgelt beantragt werden konnte. Zuerst wurden die Ver- braucher mit der höchsten Leistung innerhalb des Hochlastzeitfensters gesucht. Diese Verbraucher wurden durch einen Standard-Bericht des Energiedatenmanagementsystems visual energy ausgegeben. Denn mit dem flexibel konfigurierbaren Be- richtswesen des Systems konnten die höchsten Verbraucher der Hochlastzeitfenster auf Knopfdruck bestimmt werden. Dadurch wurde festgestellt, dass die Mindestverlagerung von 100 kW nur zu realisieren ist, indem der Trocknungsvorgang eines energieintensiven Industrie-Ofens zeitlich vor 12 Uhr verschoben wird, sodass er zu Beginn des Hochlastzeitfensters um 16:45 Uhr abgeschlossen ist. Auch musste in die Heizungssteuerung eingegriffen werden, indem die Vorlauftemperatur der Wärmepumpe für die Dauer des Hochlastzeitfensters reduziert wurde.

Weitere Verbraucher, die im Hochlastzeitfenster Spitzen verursachen könnten, waren die E-Ladesäulen. Diese werden im Betrieb bereits seit Jahren durch das Zusammenspiel der automatisch regelnden Energieopti- mierung multimax und eines Batteriespeichers je nach Anforderung in ihrem Ladestrom reduziert. Damit war die Voraussetzung gegeben, die relevanten Verbraucher des Betriebs flexibel zu verschieben.

Abbildung 4: Reduzierung der Last im Hochlastzeitfenster von 16:45 bis 18:30 Uhr

In der Energieoptimierung wurde abschließend ein Sollwert definiert, der nicht überschritten werden darf und durch die Abschaltung obiger, bzw. weiterer Verbraucher stets eingehalten wird. Sollte das Abschaltpotential nicht ausreichen, so wird ein Batteriespeicher durch die automatische Steuerung zu Beginn des Hochlast- zeitfensters aufgeladen sein, um notfalls eingreifen zu können. Überwacht wird die Atypische Netznutzung nun doppelt. Einmal in der intelligenten Energieoptimierung multimax und zusätzlich im Energie- datenmanagementsystem visual energy (siehe Abbildung 4).

Wie hoch ist die Einsparung?

In obigem Diagramm wird sofort durch einen einfachen Dreisatz er- sichtlich, wie hoch die Einsparung für einen Leistungspreis von 108 €/kwh/a ist:

Jahres-Leistungsspitze:
207 kWh x 108 €/kWh/a = 22.356 €/a


Hochlastzeitfenster-Leistungsspitze:
65 kWh x 108 €/kWh/a = 7.020 €/a


Einsparung
= 22.356 €/a - 7.020 €/a = 15.336 €/a

Durch die Verrechnung der Leistungs- spitze des Hochlastzeitfensters wird die Einsparung von KBR pro Jahr bei über 15.000 € liegen, sodass sich die Anschaffung der multimax-En- ergieoptimierung bereits im ersten Jahr amortisiert hat. Sofern die abzuschalten- den Verbraucher bekannt sind, bei- spielsweise durch eine Analyse im Energiedatenmanagementsystem visual energy, wird empfohlen, eine intelligente Energieoptimierung einzusetzen, da diese die Verbraucher aktiv steuern und eingreifen kann. Liegt die Verlagerung der Leistungs- spitze bei weit über 100 kW, so steigt die Einsparung durch die Nutzung der Atypischen Netznutzung deutlich an.

Fazit

Die Atypische Netznutzung ist ein einfaches und effizientes Mittel für Unternehmen, die Kosten für den Leistungspreis zu reduzieren. Da die Mindestverlagerung der Atypischen Netznutzung zumeist nicht ohne weiteres erreicht werden kann, ist die Anschaffung einer intelligenten Energieoptimierung sinnvoll. Die Optimierungs-Experten von KBR stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung. Wir freuen uns auf Ihre Fragen, um Sie unterstützen zu können.

Quelle und Verfasser: KBR GmbH







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